Mein damaliger Freund, ein Tierpräparator, brachte einen lebenden Sperber mit. Den hatte ein Bekannter in seinem Taubenschlag erwischt. Ganz zerfleddert steckte der arme Kerl in einem Netz. Der Sperber, nicht der Bekannte.
Mein Freund bekam den mir wohlbekannten glasigen Blick mit Dollarzeichen in den Augen: "Den päppeln wir auf, bis die Federn wieder was taugen. Dann stopf ich ihn aus, was meinst du, was die Sammler für so 'nen Greif zahlen!"
Mein Blick wurde auch glasig, aber vor Ärger. "Bei dir piept's wohl! So einen schönen Sperber abmurksen, nur damit ihn ein fetter Sammler über seinen Kamin hängt? Da mach ich nicht mit! Außerdem ist das verboten, Greife zu töten. Dafür kannst du in den Knast kommen!"
Freund und Bekannter lachten nur dreckig. Sie pilgerten dann in die nächste Kneipe, um das gute Geschäft zu begießen. Vorher aber - uff, mir wird es jetzt noch mulmig.
Die beiden banden dem Sperber einen langen Schnürsenkel um einen Ständer, um ihn an einer Stuhllehne anzubinden - dachte ich. Von wegen! Sie drückten mir den Schnürsenkel in die Hand, den Greif auf die Faust und zogen ab.
"Da kannste deine Tierliebe ja mal ausprobieren. Wetten, wenn der Geier dir die Augen zerkrallt hat, willst du ihn auch killen." Sie lachten - und ich stand da, mit dieser Ladung Dynamit auf dem Arm.
Was nun? Der Sperber in Todesangst - seine dolchartigen Klauen bohrten sich mangels Lederhandschuh in meine Hand. Auf keinen Fall durfte ich die Strippe loslassen ...
Wie lange wir uns anlauerten, weiß ich nicht mehr. Seit Mittag hatte ich diesen unfreiwilligen Gast - und es wurde schon dunkel. Zwar hatte ich - im Zeitlupentempo- den Arm aufgestützt. Aber wie weiter? Ob und wie mein "Freund" wiederauftauchte, war ungewiss.
Irgendwann hob ich langsam die andere Hand - genau beobachtet von meinem unfreiwilligen Gast - und begann sachte, ihm das Bauchgefieder zu kraulen. Er war erst lang und ganz dünn, unter Hochspannung. Plötzlich aber - nein, kein Angriff, sondern das: Er plusterte sich zu einer dicken Kugel auf, knappte mit dem Schnabel und ließ sich genüsslich kraulen.
Ich quartierte ihn in der alten Werkstatt ein, fing ihm Mäuse und kraulte ihn ausgiebig. Auch konnte er in der Werkstatt frei herumflattern, weil ich Kükendraht vor das Fenster genagelt hatte.
Ich war oft in der Werkstatt, schrieb da drin auch meine Diplomarbeit. Außer mir konnte da niemand herein. Der gute Sperber griff andere Menschen zuverlässig an.
Gern saß er auf meiner Schulter, übrigens ohne mir das kleinste Loch in die Haut zu bohren. Da putzte er erst sein Gefieder, dann meine Haare. Irgendwie kam er auf die Idee, mir etwas von seinen Mäusen einzuverleiben. Er versuchte es erst am Mund, dann bei der Nase.
Mit dem Erfolg, dass ich vermummt wie ein Bankräuber über meinen Büchern saß. Das störte den Sperber nicht, da gab es ja noch die Ohren ...
Mit dem Erfolg, dass ich mit den Mausfleisch-gefüllten Ohren zum Ohrenarzt musste.
"Wo zwickt's denn?", fragte der schon ältere Arzt gutmütig.
"Ähm, tja, mir steckt da was im Ohr...", mumpfelte ich und fühlte mich ziemlich bescheuert.
Aha, ich hatte es doch geahnt: "Sind Sie dafür nicht schon etwas zu alt?"
"Doch, schon, trotzdem steckt da was im Ohr, was ich nicht rauskriege. Vielleicht schaffen Sie es ..."
Der Doktor "dokterte" im Ohr herum und förderte eine rötlich-faserige Masse zutage.
"Was ist das denn?", wollte er wissen und besah misstrauisch seine "Beute".
"Och, Mausfleisch, das hat mir ..." Bradderabamm schrumm., ging es hinter uns, und ich sah gerade noch, wie die üppige Sprechstundenhilfe haltlos zusammensackte. Ohnmächtig.
Beim zweiten Mal lief es etwas anders: Der Arzt erkannte mich, fragte knapp "Mausfleisch?" und ich nickte trübe. Er wies mit dem Kinn Richtung Sprechzimmer. "Das schaffen wir auch allein, ohne Helferin. Ich muss nämlich auf meine Bandscheiben aufpassen ..."
Was ist nun aus dem Sperber geworden? Hängt der arme Kerl in einem "Landhaus" an der Wand?
O nein! Im Gegenteil! Als sein Gefieder wieder tiptop in Schuss war, bin ich "ganz aus Versehen" mitsamt Sperber auf der Schulter in den Garten gegangen, wo er schleunigst das Weite suchte. Für diesmal.
Ich hatte mich von meinem mörderischen Freund getrennt und hauste samt Pony "Dackel" auf einem ehemaligen Reiterhof. Weil ich auch mal beim Westernturnier mitmachen wollte, übte ich auf dem Reitplatz für den Trail. Und bekam einen unerwarteten Zuschauer.
Da landete doch tatsächlich ein Sperber auf dem Zaun, der mir seltsam bekannt vorkam. Er drehte seinen Kopf hin und her und beäugte uns mit seinen schönen gelben Augen. Dann entdeckte er eine einladende Sandkuhle direkt neben Dackel und nahm ein ausgiebiges Sandbad.
Dann stieg er in die Luft, kreiste über uns, rief noch einmal sein weit schallendes "ki-ki-ki-ki-ki" und flog davon.
An diese Erlebnisse mit dem verliebten Sperber wurde ich schlagartig erinnert, als ich "zufällig" folgendes Video fand - da wird eine Eule gekrault, sie genießt es sehr - genau wie einst mein Sperber: