Was ist das denn? Nein, ganz so dämlich bin ich nun doch nicht. Was ich zu festlichen Anlässen oder Kongressen anziehe, weiß ich auch so. Dafür brauche ich keine Stilberatung. Eher schon einen wohl gefüllten Geldbeutel, um mir die nötigen Kleidungsstücke zu kaufen.
Zugegeben, von der so genannten Mode habe ich wenig Ahnung. Eher amüsiert es mich, was sich Modeschöpfer wieder ausgedacht haben, um frau lächerlich zu machen. Zum Beispiel diese riesigen Schleifen, die entweder über dem Hintern oder vorne auf dem Busen thronten. Mit so einem Kleid wirkt jede Frau wie ein zu groß geratenes Osterei oder eine dieser kitschigen Geschenkpackungen.
Mit Mode habe ich es nicht so. Ich brauche gut sitzende Hosen und ein passendes Oberteil. Bloß keine kakeligen Farben, und wie Konditoreis sollte es auch nicht aussehen. Schon ist das Bekleidungsproblem gelöst.
Stilberatung? Das war ein Kurs der Volkshochschule. Mit einer bekannten (?) Stilberaterin und Benehmenstante. Da wollte ich mitmachen. Entweder erfahre ich noch etwas Interessantes - oder ich habe richtig was zu lachen.
Die Kursleiterin erinnerte irgendwie an eine Vorsteherin eines Mädchenpensionats für höhere Töchter. Die Teilnehmerinnen waren bunt gemischt: von verknöchert-konsevativ über grobgestrickt-alternativ bis schrill-bunt war alles vertreten. So muss sich Tom Sawyer gefühlt haben, als er versehentlich zwischen die Besucherinnen seiner Tante Polly geraten war, völlig fehl am Platz.
Aha, es ging los. Natürlich mit der Aufzählung der Erfolge, die diese Kursleiterin mit ihrer Beratung schon erreicht hatte. Demnach musste die Gute schon halb Ansbach neu eingekleidet haben. War ich ihr bisher nur durch Zufall entkommen? Jedenfalls schien sie ihren Fanclub gleich mitgebracht zu haben. Einmal hingen diese Damen geradezu andächtig an ihren Lippen. Und zum Zweiten? Die Leiterin verteilte dünne Hefter. Da waren etwa ein halbes Dutzend Zeichnungen drin. In schwarz-weiß. Sah aus wie ein Malbuch für Kinder. Aha! Darum hatte es geheißen, man solle Farbstifte mitbringen! Und zehn Euronen, um das Malbuch zu bezahlen. Zusätzlich zur Kursgebühr.
Komisch nur, dass einige der Frauen aussahen wie die Zeichnungen. Oder eher umgekehrt?
Die Leiterin, eine gewisse Frau Bohnbrechel, bat nun die einzelnen Teilnehmer, sich vorzustellen und zu sagen, was sie sich von diesem Kurs erhofften. Ach du Schreck, auch das noch! Was da alles erzählt wurde ... chrrrr ... pschüüü. Verflixt! Bei dem Geschwafel war ich doch glatt eingeschlafen.
"Sie da hinten, in der Ecke!" "Hmmm?" "Ja, Sie meine ich, die rhm, die Dame in dem rhmm - rhmm Holzfällerhemd! Was wollen Sie hier?"
Ich war wohl noch nicht ganz wach , und ich brummte :"Das frage ich mich auch. Ein Malbuch wollte ich eigentlich nicht kaufen..."
Das genügte. Fortan war ich für die Dame Bohnbrechel samt Gefolge Luft.
Dabei hatte ich ihr sogar versehentlich die Gelegenheit verschafft, Benimmregeln von sich zu geben.
Eine davon sollten sich wirklich die meisten weiblichen Wesen zu Herzen nehmen. "Meine Damen, sie erzielen größere Erfolge, wenn Sie mit möglichst voller Stimme reden. Sie alle sollten versuchen, ihre Stimmen um mindestens eine ganze Oktave zu senken - mit einer Ausnahme!"
"Das bin ich!", qiekte es neben mir los, "schon als junges Mädchen war meine Stimme eher zu tief!" Die spinnwebdünne zarte Frau sah sich beifallheischend um.
Und ich kämpfte verzweifelt gegen einen Lachanfall. Wäre ich Filmproduzent, hätte ich sie sofort als Synchronsprecherin für Micky Maus eingestellt.
Die Kursleiterin setzte sich nun zu den einzelnen Damen, und erklärte ihnen, welchem Stiltyp sie angehören und welche Kleidung daher optimal zu ihnen passte. Komisch nur, dass sie jeweils das beschrieb, was die Frauen sowieso schon an hatten. Also, so einen Kurs hätte ich auch geben können.
Bei der zehnten Kandidatin wurde es mir langweilig, meine Gedanken schweiften ab. Irgendwie kam ich zu "Urmel aus dem Eis" von der Augsburger Puppenkiste. Und blieb beim singenden See-Elefant hängen. Die gute Bohnbrechel hing auch. Bei einer Frau, die mir direkt gegenüber saß. Alles an ihr wirkte irgendwie eckig und asymmetrisch. Die Kleidung, die Brille - und der gewaltige, an ein Raumschiff erinnernde Anhänger vor ihrer Brust. Ich musste immer wieder hinsehen. Was der Bohnbrechel nicht zu passen schien.
"Was gibt es da zu starren?", keifte sie mich an.
In Gedanken war ich noch ganz beim singeden See-Elefant. Meine Antwort: "Woromm hot döse Frou oin Ohrpöndöl vor dör Brost?"
Bohnbrechel: "Rrrraussss!"
Die Gebühr für diesen "Kurs" habe ich von der VHS zurück bekommen.