In Zürich gibt es einen Club von Wirtschaftsjournalisten, der hatte am 31.10.2011 einen besonderen Redner eingeladen: Mattthias Döpfner, CEO von Springer, also Chief Executive Officer, also geschäftsführendes Mitglied des Vorstandes. Und Döpfner hatte sich Verschwiegenheit ausbedungen. Wo kämen wir denn hin, wenn das blöde Volk - und auch die blöden Springer-Leser - so brisante Neuigkeiten erführen?
Also stand in der EInladung, dass diese Veranstaltung "off-the-record" stattfindet. Das soll auf keinen Fall bedeuten, dass Döpfners Vortrag keinen Rekord an Informatioen erreicht, sondern dass niemand Teile des Vortrages aufzeichnen und gar veröffentlichen darf. Also waren die Erwartungen dementsprechend hoch.
Ja, und dann gab es einige Journalisten, die meinten, off-the-record gelte doch nicht für Twitter. Das kann ich gut nachfühlen: Sie wurden von ihren Redaktionen hingeschickt, haben was für heiße Informationen erwartet und sitzen da nun gelangweit. Was macht ein Mensch von heute, wenn er Langeweile hat? Er spielt mit seinem Handy - ganz automatisch. Und dann schickt er ganz wichtige Informatioen in die Twitter-Welt. So zum Beispiel David Strohm:
"... werde ihm Äpfel mitbringen, die mag er." - Also, das geht natürlich nicht! Solche privaten Geheimnisse des Matthias Döpfner auszzuplaudern! Wenn das sich irgendwelche Erpresser und Entführer zu Nutze machen? Die nehmen dann ihrem Opfer die Äpfel weg und dann ist es aus mit "An apple a day keeps the doctor away!" und das Opfer kriegt die Panik!
"Wette, in 5 Jahren ist Apple nicht mehr dominant." - Ja, das ist eine ganz vertrauliche Meldung! Leute, kauft keine Apples mehr - in fünf Jahren könnt ihr sie wegschmeißen! Hmm, sind da jetzt Apples oder Äpfel gemein? Oder ist das eine Marketingaktion, für die Springer bezahlt wurde? Ja, eine neue Art von Werbung? Oder Antiwerbung. Auf jeden Fall darf das einfache Volk solche Geheiminfos nie rfahren!
Und Döpfner muss es wissen! Vor drei Jahren stellte Springer komplett auf Apple um:
"Döpfner von #AxelSpringer: Die #DDR hat Anti-Springer-Kampagne finanziert" - Das ist ja die geheimste aller geheimen Informationen! Die ist so geheim, dass die Bundeskanzlerin vielleicht nur abwinkt. Das erinnert sie an ihre Zeit als FDJ-Sekretärin der DDR. da war sie ja auch für Agitation und Propaganda zuständig. Und jetzt weiß die Twittergemeinde, wer die Kampagnen gegen Springer bezahlt hat? Aber, Aber! Darunter kann doch die Freundschaft zwischen der Bundeskanzlerin und Friede Springer leiden?!
"Springer ist liberalster Medienkonzern. Redaktion arbeiten völlig unabhängig. Glauben Sie es mir" - Also, das ist ja eine ganz geheime Information! Die durfte nie bekannt werden! Die Springer-Redaktion sind unabhängig! Leute, jetzt habt ihr es aus berufenem Munde gehört! Also, jört gefälligst auf, an Springer herumzumäkeln!
Wer noch mehr solche "Perlen" der Döpfnerschen Gedankenblitze lesen möchte, schaue in den Artikel von Nick Lüthi von der MEDIENWOCHE:
Da wollen Leute wie Döpfner zur selbsternannten Elite gehören und dann geben sie so etwas von sich - ziemlich belanglos und nichtssagend. Und damit das Volk nicht erfährt, dass dem so ist, fnden solche Veranstaltungen höchst geheim statt. Es ist ja nicht auszudenken, was passiert, wenn das Volk - der gemeine Pöbel - erfährt, was für Leutchen über viele Menschen entscheiden!
Ja, und die vier Journalisten, die gegen off-the-record verstoßen haben (David Strohm - NZZ am Sonntag, Beat Schmid - Der Sonntag, Peter Hossli - Sonntagsblick, Edi Estrmann - Mediensprecher bei Ringier) wurden schwerst bestraft: Sie erhielten ein Jahr lang Zutrittsverbot! Und da sind sie gleich selbst aus diesem Club ausgetreten.
Für ihre Leser und Leserinnen ist das gewiss von Vorteil: Sie bleiben von künftigen Dampfplaudereien in diesem Club verschont!