Wer oder was soll RocVin sein? Das ist eine Firma, eine ganz noble Firma. Die fährt die Abgeordneten des deutschen Bundestages kostenlos spazieren. Aber nicht, dass sie das kostenlos macht Nur für die Abgeordneten ist das kostenlos. Die Firma lässt sich das schon bezahlen - vom deutschen Steuerzahler!
1999 wurde ein großer Teil der Fahrbereitschaft des Bundestages an die Firma RocVin vergeben. Und diese Firma unterhält auch ein Callcenter und ist im Autohandel aktiv. Alles in allem eine große Firma. Sie ist so groß, dass sie ihren Chauffeuren nur kleine Gehälter zahlen braucht.
Die Gehälter sind oft so klein, dass die Chauffeure einen Zweitjob haben. Oder sie müssen aufstocken - mit Sozialleistungen! Sie sind also "Kunden" beim Jobcenter! Ist dieses Deutschland nicht ein soziales Land? Da lassen sich Abgeordnete von Chauffeuren durch die Gegend fahren und die Fahrer werden so mickrig bezahlt, dass sie beim Jobcenter aufstocken müssen?
Im Juni dieses Jahres kam diese Firma ins Gerede. Das kam so: Einer dieser Fahrer meldete sich bei der Sendung "Wer wird Millionär" oder so. Und der Moderator - ein gewisser Jauch - hatte seinen sozialen Tag und fragte den Kandidaten, welche Abgeordneten freundlicher seien, die kleinen oder die wirklich hohen Tiere. Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: "Je höher, desto arroganter!"
Quelle: netzeitung.de Jauch-Kandidat doch nicht gefeuert
Da haben dann Abgeordnete gezetert! Das ist unerhört! Der Kandidat soll angeblich gefeuert worden sein. Oder auch nicht. Springers Bild meldete, der Fahrer hätte eine Abfindung erhalten. Andere behaupten, er sei in den Urlaub geschickt worden. Das ist nur Nebensache. Wichtig ist doch, dass dieser Firma RocVin GmbH angeblich die Pleite drohen soll. Das meldeten viele Zeitungen.
Quelle: DER TAGESSPIEGEL Fahrbereitschaft des Bundestags steht vor der Pleite
Müssen jetzt die Abgeordneten zu Fuß gehen? Oder wie der Grüne Christian Ströbele selbst mit dem Fahrrad fahren? Nein, die Abgeordneten dürfen ein Taxi nehmen!
Aber da stellt sich doch die Frage: Wieso kann einer Firma wie RocVin die Pleite drohen? Naja, so richtig pleite ist RocVin nicht, RocVin befindet sich in einem Schutzschirmverfahren. Gläubiger müssen dann drei Monate auf ihr Geld warten! Das steht so im Insolvenzrecht!
Wie konnte es so weit kommen? Wegen der Wahl, da sind viele Abgeordnete in ihrem Wahlkreis unterwegs und nicht in Berlin gewesen. Da fielen dann viele Fahrten für RocVin weg. Und dann haben die Wähler so dumm gewählt, dass es immer noch keine neue Regierung gibt. RocVin darf ja nur nach gefahrenen Kilometern abrechnen, nicht pauschal. Es kam also kein Geld in die RocVin-Kasse.
Aber das heißt doch, dass im Wahlkampf und auch nach der Wahl offensichtlich sehr wenige Abgeordnete den Fahrdienst brauchten und brauchen? Ja, sind diese Abgeordneten überhaupt in Berlin? Oder wo sind sie? Im Wahlkampf waren sie jedenfalls zu Hause in ihrem Wahlkreis.
Was heißt das? Da wurde also in Berlin gar nicht regiert. Und weil es immer noch keine neue Regierung gibt, wird zwar "amtiert", aber nicht regiert! Hat jemand anders außer RocVin diese Abgeordneten vermisst? Also bundesweit ist deren Abwesenheit nicht aufgefallen.
Da stellt sich doch die Frage: Brauchen wir so viele Abgeordnete? Also, diese ketzerische Frage dürfen wir nicht stellen! Alle diese Abgeordnetenhaben doch auch Familie. Was sollen dann diese Abgeordneten machen? Sie haben doch nichts anderes gelernt!
Und außerdem, sind wir Wähler selbst schuld. Warum haben wir auch so blöd gewählt, dass es solange dauert, bis sich eine neue Regierung bilden kannt
Es gibt ja einen Koalitionsvertrag, über den dürfen die SPD-Genossen von der Basis abstimmen. Und damit sie nicht überanstrengt werden und gar dagegen stimmen, gibt es geheime Absprachen, die nicht in diesem Vertrag stehen.
Quelle: Der Koalitionsvertrag wirft seine Schatten voraus ...: Welch ein Fazit werden die meisten Genossen ziehen? Scheinvertrag ist Scheißvertrag!
Ja, jetzt kursieren gar Gerüchte, dass es neben diesen geheimen Absprachen noch geheimere Vereinbarungen gibt, die kennt nicht einmal die NSA. Und das will was heißen! So etwas wie die letzte Wahl soll es nicht mehr geben! Um den Wählern die künftige Wahlen zu erleichtern, gibt es künftig nur noch eine wählbare Partei!
Ja, so etwas gab es ja schon in Deutschland! Und damit kein Wähler sich entscheiden muss, ob er wählt oder nicht, gibt es einen Wahlzwang! Dann ist die Regierungsbildung nach einer Wahl eine kurze und schmerzlose Sache! Aber diese Wahlen sind natürlich geheim! Schließlich geht es postdemokatisch zu! Und Firmen wie RocVin brauchen sich keine Sorgen mehr zu machen, dass die Abgeordneten mal nicht in Berlin sid.
Einen Wahlkampf wird es zwar geben, aber den bestreiten dann Avatare. Da besteht dann auch keine Gefahr mehr, dass ein Abgeordneter mal aus Versehen die Wahrheit spricht!
Ja, Leute, das wird wirklich eine schöne Neue Welt!
"in postdemokratischen Zuständen" Enzensberger zu Überwachung (ttt 18:08:2013)
Veröffentlicht am 20.08.2013 von Kai Brathuhn