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14. August 2010 6 14 /08 /August /2010 22:44

Letzte Woche war ich zu einem Lagerfeuer eingeladen. Da fiel mir auf, dass die Große der Gastgeberin sehr traurig rum saß. Da setzte sie sich neben mich.

"Ich möchte dich etwas fragen."

"Nur zu. Ich sehe ja, dass du so traurig bist."

"Mein Kaninchen ist gestorben. Alle sagen, es war schon alt. Aber ich war in der Schule, da konnte ich mich nicht von ihm verabschieden. Kannst du es möglich machen, dass ich mit meinem Kaninchen noch einmal reden kann. Du bist doch Schamanin!"

Fragend sah sie mich an. Ich überlegte. Dann fing ich an: "Ja, ich bin Schamanin. Und ich möchte dir erzählen, wie ich Abschied genommen habe von meinem besten vierbeinigen Freund, ein Pony, das ich Wolke genannt habe.

"Meine Sippe war damals auf der Flucht vor den Russen und mein Lehrer, ein sehr alter Schamane, wollte seine Letzte Reise antreten. Ich sollte ihn ein Stück Weges begleiten. Dazu sollte ich noch ein weiteres Pony mitnehmen. Dann ritten wir los. Dann kamen wir an eine Stelle, die sich der Schamane ausgesucht hatte. Er nahm von seinem Pony Sattel und Zaumzeug ab und ich sollte das Gleiche tun. Ich kraulte noch meinen Wolke ganz lange, dann ließen wir die beiden Ponies frei, sie galoppierten in die Steppe.

"Mit dem anderen Pony ritt ich zurück zur Sippe, mein Lehrer kletterte in die Felsen. Er wollte seine Letzte Reise antreten.

"Jahre später war ich bei der Roten Armee gelandet. Ich hatte frei und ging in die Wälder. Plötzlich erfasste mich große Unruhe, so, als hätte mich jemand gerufen. Dann hörte ich ein bekanntes Brummeln. Ich hob meinen Kopf und sah meinen Wolke, wie er zu den fernen Sternen galoppierte. Er hatte seine Letzte Reise angetreten. Dann spürte ich, dass etwas auf meiner Wange klebte. Ich strich darüber: es waren weiße Pferdehaare.

"Weißt du, so ist es auch mit deinem Kaninchen. Wenn du an dein Kaninchen denkst, dann ist es bei dir, auch wenn du es nicht siehst. Und wer weiß, vielleicht träumst du von ihm. Ich brauche keinen Kontakt herstellen."

Da meldete sich ihre Mutter; wir hatten gar nicht gemerkt, dass sie sich zu uns gesetzt hatte: "Das hast du schön erzählt, ich erinnere mich, das steht auch in deinem Buch."

Die Tochter fragte: "Kann ich das auchlesen? Jetzt gleich?"

Ihre Mutter zögerte: "Na gut! Du hast deinen Kopf sowieso wo anders. Warte, ich zeige dir wo es liegt." Etwas später kam die Mutter zurück: "Es ist gut, dass Ferien sind. Sie wird jetzt die ganze Nacht durchlesen. Mir ging es ja auch so ..."

 

 

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Kommentare

F
<br /> ^^<br /> <br /> <br />
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  • : Blog von Kiat Gorina
  • : Tagebuch einer Schamanin, aufgewachsen in der mongolischen Steppe bei Nomaden, Vater deutsch, Mutter Mongolin.
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