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18. März 2009 3 18 /03 /März /2009 21:35
Heute nachmittag fuhr ich an einem mir bekannten Hof vorbei, da saß auf der Bank die Altbäuerin in der Frühlingssonne. Ich hielt an und setzte mich zu ihr um zu plaudern. Ich unterhalte mich gerne mit alten Menschen, sie haben meist viel zu erzählen, aus ihrem Leben und auch so.

Heute beklagte sie sich über das Radioprogramm: "Du, das mag ich nimmer anhören! Die spielen ja nur noch englische Lieder, ich lebe aber in Deutschland. Früher habe ich den Bayerischen Rundfunk gern gehört, aber jetzt mag ich nicht mehr!"

"Kannst Du nicht das Vierte vom Stuttgarter Radio empfängen?" Sie schüttelte traurig den Kopf: "Ja, ich habe eine Nichte im Schwäbischen, die hat mir davon erzählt."

"Aber dein Sohn hat doch Kabelfernsehen, da ist doch ein Radioprogramm dabei, auch das Vierte vom Stuttgarter."

"Bist Du sicher? Komm mal mit und schau dir das an." Ich ging mit ihr ins Haus, sie erzählte ihrem Sohn, was ich ihr gesagt habe. Er machte ein misstrauisches Gesicht, zeigte mir aber die Dose vom Kabelfernsehen.

"Und da ist der Anschluss für das Radio-Antennenkabel" und ich zeigte drauf. Der Sohn wurde hellhörig: "Passt da ein normales Antennenkabel rein?" Ich nickte. Er stiefelte los und brachte ein langes Koaxialkabel mit. Das stöpselte er rein und zog es durch den Flur zur Stube der Altbäuerin, er steckte es in ihr Radio und suchte nach Sendern. In der Tat, nach einigem Suchen ertönten alte deutsche Schlager aus dem Lautsprecher, die Altbäuerin strahlte. Sie stieß ihren Jungen an: "Da musst Du ihr aber ein Vesper mitgeben!"

Er rief nach seiner Frau, die strahlte auch, als sie hörte, dass die Altbäuerin jetzt ihre alten Schlager im Radio hören kann. Wir plauderten dann noch eine Weile, dann musste ich weiter.

Auf der Fahrt freute ich mich, wie leicht es doch ist, Menschen eine Freude zu bereiten. Und diese Altbäuerin hatte es gut, sie lebte mit den Jungen zusammen in einem Haus. Wie zu meiner Zeit in der Steppe: Da lebten die Alten zusammen mit der ganzen Familie in einem Ger.

Und die Alten wurden geachtet. Ja, wenn die Sippe einen neuen Schamanen brauchte, dann gab es eine regelrechte Prüfung: Die Alten stellten ihm Fragen und kamen so zu ihrem Urteil über den neuen Schamanen.

Bei den Langnasen hierzulande ist es leider oft anders: Ja, da gibt es Politiker wie Philip Mißfelder, Vorsitzender der Jungen Union. Der sagte 2003 öffentlich: "Ich halte nichts davon, wenn 85-Jährige noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen."

Er beschwor regelrecht den "Krieg" zwischen Generationen herauf. Ich kann solche Dummheit eines Politikers nicht verstehen. Wer hat denn nach dem II. Weltkrieg Deutschland wieder aufgebaut? Waren es solche dummdreiste Politiker? Nein! Es war exakt die Generation, die heute Rentner sind.

In der Steppe bei den Nomaden wäre es undenkbar gewesen, den Alten etwas vorzuenthalten, vor allem, wenn sie sich in ihrer Jugend für das Überleben der Sippe verdient gemacht haben!

Bei den Langnasen jedoch gibt es noch dümmere Politiker, beispielsweise den Gottfried Ludewig, Chef des Studentenverbandes RCDS; der will wirklich das Wahlrecht für Rentner und Arbeitlose einschränken:

"Diejenigen, die den Wohlfahrtsstaat finanzieren und stützen, müssen wieder mehr Einfluss bekommen. Die Lösung könnte ein doppeltes Wahl- und Stimmrecht sein. Allein mit Hartz-IV-Beziehern und Rentnern kann der soziale Ausgleich nicht funktionieren."

Für mich ist das erschreckend, mit welcher Menschenverachtung sich Politiker öffentlich äußern ...


(C) Copyright 2004-2009 by Kiat Gorina, Windsbach. Alle Rechte vorbehalten.
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Kommentare

R
BOAH!<br /> mir fehlen grd die worte.<br /> die aussagen sind ja IRRE!<br /> mir ist meine sippe heilig. da geht nix drüber.<br /> das sind die eigenen wurzeln!<br /> wer die alten nicht achtet schneidet sich die eigenen wurzeln ab und hat keinen halt mehr.<br /> herzgruß, sonja
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K
<br /> Liebe Sonja,<br /> <br /> das sind zwei besonders eklige Exemplare! Das sind Vertreter des neoliberalen Raubtierkapitalismus, nur vergessen solche Menschen, dass sie selbst mal alt werden. Ich stimme dir voll zu, wer seine<br /> Wurzeln verliert, verliert den Lebenssinn. Und wenn ein Mensch den Sinn seines Lebens nur im Raffen von Geld sieht, Geld ist sehr flüchtig. Jetzt zu Beginn der der globalen Krise macht sich ja<br /> schon Ernüchterung breit, wie fühlt sich wohl ein Herr Ackermann von der Deutschen Bank, wenn sein Jahressalär um 90 % reduziert wird? Obwohl, er bekommt immer noch über eine Million EUR im Jahr,<br /> und das ist angesichts der Verluste einfach zu viel.<br /> <br /> Eine Kassiererin wurde fristlos gekündigt, ein Arbeitsgericht hat dies für richtig beurteilt, nur weil ihr vorgeworfen wurde, dass sie Pfand im Wert von 1,30 EUR angeblich "unterschlagen" habe.<br /> Dazwischen liegen Welten!<br /> <br /> Mich erinnert diese Entwicklung an die letzten Züge des chinesischen Kaiserreiches: Da haben in Wirklichkeit nur die Eunuchen "regiert" und dachten nur an sich. Aber letztendlich fanden sie sich<br /> auf dem Misthaufen der Geschichte.<br /> <br /> Nachdenkliche Grüße, Kiat<br /> <br /> <br />
P
Hallo Kiat, <br /> wirklich eine schöne Geschichte. Was mir besonders gefallen hat, daß sich alle mit der Altbäuerin mitgefreut haben. Ich freu mich auch für sie mit <br /> Liebe Grüße Petra
Antworten
K
<br /> Liebe Petra,<br /> <br /> wo es noch funktionierende Großfamilien gibt, da kommt dies schon öfter vor. Es ist ja auch nicht nur Freude, sondern auch Erleichterung damit verbunden: Der Sohn war erleichtet, weil seine Mutter<br /> nicht immer geschimpft hat über das schlechte Radioprogramm, die Schwiegertocher war auch froh darüber, dass die Schwiegermutter wieder gut drauf ist ...<br /> <br /> Liebe Grüße, Kiat<br /> <br /> <br />
F
Liebe Kiat,<br /> <br /> weißt Du was, ich reg` mich da gar nicht mehr auf über diese blöden Politiker.<br /> <br /> Ich freu mich einfach mit der alten Bäuerin.<br /> Da hast Du ihr was sehr schönes getan :-))<br /> Und in Deinem Text kommt ihre Freude richtig rüber.<br /> <br /> Und siehst Du, solche kleinen Taten wie die Deinen, schaffen es irgendwann, dass es diese blöden Politker und ihre Aussagen vllt. dann hoffentlich einmal nicht mehr gibt.<br /> <br /> Alles liebe<br /> Sabine - freesia
Antworten
K
<br /> Liebe Freesia,<br /> <br /> stimmt, wir brauchen uns nur in unserem näheren Umfeld umsehen, da finden wir bestimmt einen Menschen, dem wir helfen, den wir trösten oder dem wir eine Freude bereiten können.<br /> <br /> Ich mache ja abends vor dem Einschlafen immer eine kleine Meditation, da erinnere ich mich, was ich an dem Tag gemacht und was mir passiert ist. Aber jetzt kommt der Trick: Ich fange nicht morgens<br /> an, sondern genau umgekehrt, also das jüngste Erlebnis zuerst und dann "rückwärts" in Richtung Morgen. Dadurch gewinne ich Abstand vom erlebten Tag und schlafe dabei ein. Wer diese Art der<br /> Meditation nicht kennt, soll sie mal ausprobieren.<br /> <br /> Liebe Grüße, Kiat<br /> <br /> <br />
H
Das erinnert mich an den Blödsinn den ich vor einigen Jahren von der "Familien-Partei" gehört habe. Die wollte das Stimmrecht von der Anzahl der Kinder abhänig machen. Je mehr Kinder jemand hatte desto mehr Stimmen sollte er bei der Wahl haben…<br /> <br /> Himmel! die Leute haben Ideen! *Augen verdreh*<br /> <br /> Liebe Grüße Heike
Antworten
K
<br /> Liebe Heike,<br /> <br /> diese Idee schwirrt immer noch in den Köpfen von so manchen Menschen rum. Einmal kam ich zun einer Gruppe von Urschwarzen dazu, da vertrat ein Handwerksmeister mit vielen Kindern auch diese Idee.<br /> Ich sagte dann zu ihm: Gestern hast Du aber auf die Asozialen geschimpft, die viele Kinder haben und angeblich das Kindergeld versaufen?!<br /> <br /> Die anderen grinsten, er schnappte nach Luft und brachte dann heraus: Die natürlich nicht, Asoziale und Arbeitslose dürfen überhaupt nicht wählen!<br /> <br /> Das war dann sogar seinen Kumpels zuviel und sie wandten sich ab.<br /> <br /> Liebe Grüße, Kiat<br /> <br /> <br />
W
Ja Kiat, auch ich kann mich noch sehr gut an den Ausspruch dieses jungen CDU POlitiker eriinern und an die darauf folgende Generations Diskussion. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch eine Trude Unruh, die mit Ihrer Partei "Graue Panther" das "ältere politische Geschehen" mit jungem Potential in die Hand nahm, auch Sie gibt es leider nicht mehr. Deine Beiträge Kiat sind so persönlich und gut geschrieben als hätte ich sie selbst erlebt. Danke dafür. Liebe Grüße aus Berlin von Waltraud.
Antworten
K
<br /> Liebe Waltraud,<br /> <br /> ja, der Trude Unruh trauere ich wehmütig nach. Sie war ein gewaltiges Sprachrohr der älteren Generation.<br /> <br /> Danke für deine lobenden Worte!<br /> <br /> Lebe Grüße von Windsbach nach Berlin, Kiat<br /> <br /> <br />

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  • : Tagebuch einer Schamanin, aufgewachsen in der mongolischen Steppe bei Nomaden, Vater deutsch, Mutter Mongolin.
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