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15. November 2009 7 15 /11 /November /2009 23:52
Haundorf, Gemeinde Schnelldorf, Landkreis Ansbach: vor einigen Jahren kaufte sich ein Münchner, nennen wir ihn Werner, ein kleines Häuschen neben der Kirche und wollte dort seinen Lebensabend verbringen ...

Wer heute in dieses Dorf fährt, an beiden Ortseingängen Schilder, ziemlich groß, darauf steht: "3 Windräder, 1 Glockengegner sind zu viel! Darum, Stopt den Wahnsinn und die Wahnsinnigen".

Was ist ein Glockengegner? Und wer ist ein Glockengegner? Das ist nach Meinung der Gemeinde eben dieser Werner. Wie wird jemand in Haundorf zum Glockengegner? Weil er gegen Glocken ist? Aber Werner ist nicht gegen Glocken. Er hat nur etwas dagegen, wenn alle Viertelstunde die Kirchenglocken läuten, um die Uhrzeit anzuläuten, rund um die Uhr, auch nachts. Und dann wird täglich mehrmals zum Gebet geläutet. 

Da hat Werner ein Büro beauftragt, das hat mehrere Tage lang gemessen, wie laut das Geläute ist. Nun hat der Gesetzgeber festgelegt, wieviel Lärm in einem Dorf erzeugt werden darf. Werner geht davon aus, das gilt auch für die Kirche. Die Ingenieure des beauftragte Büros hatten festgestellt, dass die Kirchenglocken um das Doppelte zu laut sind.

Also klagte er vor dem Verwaltungsgericht, das ist schon länger her, aber diese Verhandlung wurde vertagt, um ein Gutachten einzuholen. Dabei hatte Werner ja schon Messergebnisse vorzuweisen. Bis heute gab es keine neue Verhandlung. 

Aber in der Zwischenzeit hat er wegen der Klage offenbar den Hass der Haundorfer Dörfler auf sich gezogen: Diese Schilder wurden aufgestellt, die Dorfkinder werden gegen ihn aufgehetzt, anonyme Flugblätter werden verteilt, darin wird gedroht, anonyme Anrufe ... 

In der Lokalpresse wurde auch von diesem Fall berichtet. Der Redakteur fragte den Pfarrer zu den Reaktionen seiner Schäfchen. Der Pfarrer finde diese Schilder "äußerst unglücklich". Und auch der Bürgermeister wurde gefragt, wieso er nichts gegen diese Schilder unternehme?

Ja, diese Schilder stünden nicht auf Gemeindegrund und diese Schilder verschandelten das Ortsbild nicht, so dass er dagegen vorgehen müsste. Ich kenne dagegen Gewerbetreibende, die auf ihre Wirtschaft beispielsweise aufmerksam machen wollen, die haben es nicht so leicht, Schilder in die Landschaft zu stellen.

Es geht auch nicht darum, wieso Werner sich gerade dieses Haus neben der Dorfkirche kaufte, er hätte doch wissen müssen, dass da Glocken bimmeln. Stimmt. Aber er ging halt davon aus, dass die Kirche sich an die Vorschriften hält, was den Schutz vor Lärm angeht. Ich kenne den Fall einer Schreinerei, die seit Generationen inmitten eines Dorfes stand. Die bekam dann von Amts wegen eine Auflage, ihre Schreinerei an den Ortsrand zu verlagern. Sie wurde dazu gezwungen, aber diese Verlagerung wurde zu teuer und die Schreinerei musste Insolvenz anmelden. Dann kehrte zwar Ruhe ein, aber ein halbes Dutzend Arbeitsplätze wurden vernichtet.

Besonders bedenklich finde ich, dass die Einheimischen sich jetzt gegen den Zugezogenen verbündet und die Dorfkinder gegen ihn aufgehetzt haben. Und das unter dem Vorwand der christlichen Glaubenslehre. 
 
(C) Copyright 2004-2009 by Kiat Gorina, Windsbach. Alle Rechte vorbehalten.
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Kommentare

F
<br /> stimmt<br /> <br /> <br />
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F
<br /> hmm sehr bedenklich.<br /> <br /> <br />
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K
<br /> Liebe Flora, ja das finde ich auch bedenklich! Da hetzen Dorfbewohner gegen einen Mitbewohner. Was hat er denn getan? Er hat von seinen rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht, gegen eine<br /> Institution zu klagen. Er hat nicht gegen das Dorf geklagt, er hat auch nicht das Dorf beleidigt.  Nur die Dorfbewohner haben ihn öffentlich an den Pranger gestellt.<br /> Und das gibt sehr zu denken! Nachdenkliche Grüße, Kiat<br /> <br /> <br />
S
<br /> Also ich freue mich immer, wenn die Glocken der Kirche läuten. Ich mag diesen weichen und tragenden Klang der Bronze-Glocken. Manchmal, wenn ich mit dem Rad unterwegs bin und es läutet gerade eine<br /> Kirche besonders schön ihre Glocken, dann bleibe ich extra stehen und lasse die Zeit über mich hinwegrollen.<br /> <br /> Auch bei uns läuten die Glocken alle viertel Stunden und es hat mich noch nie gestört. Zwar sind die Glocken meistens in katholischen Kirchentürmen installiert, aber das interessiert mich gar<br /> nicht. Glocken haben für mich keinen Bezug zum Glauben, sondern zur Zeit, zu einer anderen Zeit, die ganz weit zurück liegt.<br /> <br /> Menschen, die den Klang von Glocken nicht vertragen können, sollen eben in die Großstadt ziehen, dort wo es keinen Glockenschlag gibt. Ein zu lauter Glockenschlag schadet sicherlich auch dem<br /> Glockenmaterial, das sollte mal geprüft werden. Aber auf diesen Werner rücksicht nehmen - nein, da bin ich auch dagegen. Er hätte halt zuvor überlegen sollen. Und er kann ja wieder wegziehen wenn<br /> es ihm nicht gefällt.<br /> <br /> Viele Grüße,<br /> Superkachina<br /> <br /> <br />
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K
<br /> Lieber Superkachina,<br /> <br /> es ist schön für dich, wenn du Glockenklang magst. Nur bei dem Fall "Werner" geht es darum, dass ein Mensch von einem Dorf gemobbt wird, weil er es gewagt hat, gegen die zu lauten Glocken zu<br /> klagen. Er hat lediglich den vom Gesetzgeber ermöglichten Rechtsweg beschritten. Und dass er dafür von Dorfbewohnern an den öffentlichen Pranger gestellt wird, darum geht es.<br /> <br /> Ein solches Verhalten wirft ein schlechtes Licht auf diese Glaubensgemeinschaft. Werner ist nicht generell gegen Glocken, sondern gegen zu laute. Du schreibst ja selbst, dass ein zu lauter<br /> Glockenschlag die Glocke selbst schädigen kann. Natürlich sollte das überprüft werden, nur, das Gericht hat immer noch nicht keinen Gutachter bestellt.<br /> <br /> Nachdenkliche Grüße, Kiat <br /> <br /> <br />
H
<br /> Hallo Kiat,<br /> <br /> das ist wirklich "merwürdig". Mal davon abgesehen dass man als Gewerbetreiber nicht einfach ein Schild hinstellen darf, sondern dafür eine Genemigung braucht,<br /> finde ich eine Kirche die so soft die Glocken bimmelt seltsam.<br /> Nie gehört. Zu den Messen ja, zu besondern Anlässen wie Hochzeit, Beerdigung, Feiertage ja. Aber nicht mehr.<br /> Alle viertel Stunde ist schon etwas allbern, da kämme man vor lauter Gebete nicht mehr zum Handeln… ob dass "Gott gefällig" ist wage ich zu zweifeln.<br /> <br /> Liebe Gürße<br /> <br /> Heike<br /> <br /> <br />
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K
<br /> Liebe Heike,<br /> <br /> diese Dorfkirche läutet auch bei jeder Viertelstunde, also beispielsweise um 03:15 Uhr nachts einmal, dann um 03:30 Uhr zweimal, um 03:45 Uhr dreimal und um 04:00 Uhr viermal, weil die Stunde voll<br /> ist. Dann kommt die Stundenglocke, die läutet auch viermal, weil es ja vier Uhr früh ist.<br /> <br /> Tagsüber kommen noch die Gebetsglocken dazu, die die Gläubigen an ihre Gebetspflicht erinnern sollen. Es handelt sich dabei um eine protestantische Kirche. Ich kenne das Dorf und seine<br /> Dorfkirche: Die Glocken haben einen sehr starken Schlag.<br /> <br /> Das Verhalten dieser Dörfler gegenüber ihrem Neubürger ist unverständlich und unverschämt.<br /> <br /> Traurige Grüße, Kiat  <br /> <br /> <br />
K
<br /> Liebe Kiat,<br /> da ich ja aus dem fränkischen Raum komme und mit 20 abgehauen bin, habe ich es nie in Erwägung gezogen wieder dort hinzuziehen. Ich erinnere mich noch an meine Jugend und sollte vielleicht einmal<br /> ein paar Dinge aufschreiben, die ich da erlebt habe. In Franken / Bayern regiert eben die Kirche, so einfach ist das. Als Normal Sterblicher, vielleicht noch Protestant und auch noch Zugereister,<br /> hat man da ein schweres Leben. Das war auch ein Grund warum ich mich für MeckPomm entschied.<br /> <br /> Werner tut mir leid und ich wünsche ihm Erfolg bei seiner Klage aber um ehrlich zu sein ... ich sehe schwarz. Warum kommt er nicht auch nach MeckPomm? Wir brauchen hier Menschen wie Werner denn es<br /> ziehen so viele weg.<br /> <br /> Liebe Grüße,<br /> Katharina<br /> <br /> <br />
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K
<br /> Liebe Katharina,<br /> <br /> auch aus dem Landkreis Ansbach ziehen  mehr Mensch weg, als neue Menschen hinziehen. Unterm Strich gehen die Einwohnerzahlen zurück. Der Fall Werner ist offenbar<br /> kein Einzelfall. Erst vor ein paar Tagen habe ich mit einem Wanderschäfer gesprochen, er zieht einmal im Herbst durch diese Gegend. Er beklagte sich bei mir, dass diese Gegend sehr<br /> schäferfeindlich ist.<br /> <br /> Letztes Jahr rief ein Wiesenbesitzer gar die Polizei. Grund: Die Wiese sei erst frisch eingesät worden, und der Wanderschäfer habe seine Schafe diese frisch eingesäte Wiese abfressen<br /> lassen. Diesmal hatte der Schäfer Glück: das Verfahren wurde eingestellt. Zum Glück auch für den Wiesenbesitzer: er hatte die Wiese gar nicht frisch eingesät ...<br /> <br /> Im Zeitalter der Medien spricht sich so etwas bundesweit schnell herum. Da überlegt sich so manche Familie mit Kindern, in diesen Landkreis zu ziehen.<br /> <br /> Ich wünsche dir, dass du weiterhin glücklich bist.<br /> <br /> Liebe Grüße, Kiat <br /> <br /> <br />

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  • : Tagebuch einer Schamanin, aufgewachsen in der mongolischen Steppe bei Nomaden, Vater deutsch, Mutter Mongolin.
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