Katharina schickte mir einen Link auf einen Artikel in der ZEIT. Die ZEIT ist ja ziemlich liberal, da wunderte ich mich über einen Artikel mit der Überschrift "Kapitalismus in der Reichtumsfalle". Von Wolfgang Uchatius. Die ZEIT und Kritik am Kapitalismus? Die Zeiten ändernd sich!
Quelle: ZEIT Kapitalismus in der Reichtumsfalle
Und ich las den Artikel durch - alle fünf Seiten. Diesen Artikel finde ich wirklich gut! Da stehen so Sätze drin wie: "Der Durchschnittsdeutsche von heute besitzt: Fernseher, Bücher, Möbel, Digitalkamera, Elektroherd, Waschmaschine, Mobiltelefon, Auto, Computer. Insgesamt: 10.000 Gegenstände. Die Maschine war ziemlich erfolgreich."
Wie wahr, wie wahr! Ich erinnere mich zurück an meine Kindheit und Jugend in der mongolischen Steppe bei Nomaden. Ja, wieviele Sachen besaß ich? Nur genau so viel, wie ich zum Überleben brauchte. Das waren:
- ein Messer
- eine Drahtschlinge zum Fangen von Pfeifhasen und Murmeltiere
- einen Beutel, in dem ich getrockneten Mist sammelte, um ein Feuer zu machen
- eine Schale zum Trinken
- eine Felldecke zum Schlafen
- einen Bogen mit Pfeilen, selbst im Feuer gehärtet, zum Jagen
- und Kleidung wie Del, Hose, manchmal Stiefel
Ja, mit nur so wenigen Sachen konnte ich überleben! Und als meinen ganz persönlichen Besitz hing ein Amulettbeutel um meinen Hals. Da hatte ich mal den großen Eckzahn eines verstorbenen Wolfes gefunden. Und später ein kleines Gummibärchen, das schenkte mir ein Major der russischen roten Armee.
Und heute? Mein ganzes Häuschen ist voll von Klimbim, was sich halt so in der sogenannten Zivilisation so ansammelt. Und brauche ich das alles? Nicht unbedingt! Aber im Kapitalismus brauchen die Verbraucher immer neue DInge, sonst können die kapitalistischen Unternehmer nichts mehr produzieren und dann gibt es kein Wachstum mehr. Das Schlimmste für jeden Kapitalisten, wenn das Wachstum ausbleibt!
Ja, wenn nun die Menschen alles haben, dann muss die Werbung den Verbrauchern einreden, dass die ihre alten Sachen wegschmeißen und sich neue Sachen kaufen. Ja, und wenn die neuen Sachen nichts taugen und schlechter sind als die alten? Dann spricht sich das herum, und die Produzenten bleiben auf ihren Produkten sitzen. Dann gibt es kein Wachstum. Die Preise purzeln, es gibt keine Gewinne mehr, die Banken nagen am Hungertuch etc.
Michael Moore: Kapitalismus - EIne Liebesgeschichte (Trailer)
Und im ZEIT-Artikel steht über Keynes: "Eigentlich wundervoll. Satt sein. Das jedenfalls glaubte ein berühmter Wirtschaftswissenschaftler. Er wagte sich an etwas, das selten gelingt: eine Vorhersage der fernen Zukunft. Er prophezeite, dass seine Enkel, wenn sie einst erwachsen seien, achtmal so viel Reichtum angehäuft haben würden wie seine eigene Generation. Er sagte ferner voraus, dass in dieser Welt des Reichtums alle wesentlichen Bedürfnisse gedeckt sein würden. Die Wirtschaft würde aufhören zu wachsen, der Kapitalismus würde seine Aufgabe, den Mangel zu überwinden, erfüllt haben. Die Menschen würden zufrieden sein." Und noch etwas:
"Der Wirtschaftswissenschaftler, der das prognostizierte, ist der Brite John Maynard Keynes. Er beschrieb diese Sicht in dem Essay Wirtschaftliche Aussichten für unsere Enkel. Das war im Jahr 1930. Die Enkel sind wir." Ja, und weiter:
"Tatsächlich ist das Pro-Kopf-Einkommen in den hoch entwickelten Industrieländern seit damals fast um das Achtfache gestiegen. Tatsächlich ist das Wirtschaftswachstum weitgehend zum Erliegen gekommen. Tatsächlich dürften das viele Leute als gar nicht so unangenehm empfinden. Die persönliche Lebenszufriedenheit wächst in Ländern wie Deutschland oder Amerika schon lange nicht mehr, irgendwann in den siebziger Jahren hat sie aufgehört zu steigen, bei einem Besitz von 6.000 Dingen vielleicht oder 7.000. Was danach noch gewachsen ist, ist die Zahl der Burn-out-Fälle, der Tablettensüchtigen, der psychisch Kranken. Da hört sich Kapitalismus ohne Wachstum nicht schlecht an. Es klingt wie: Wohlstand ohne Stress."
Wie gesagt, insgesamt ein sehr lesenswerter Artikel. Was ich vermisse, ist ein Ausblick auf die möglichen Auswege. Auswege aus dem gobalen und neoliberalen Raubtierkapitalismus? Vielleicht wollen wir das gar nicht? Oder einige der Superreichen wollen das nicht? Weil sie von ihrem vermeintlichen Reichtum nichts hergeben wollen!
Ja, dann passiert wieder eine Katastrophe wie seinerzeit in Atlantis: Das hätte das Paradies sein können, aber einige wenige wollten kein Paradies für alle - deshalb zerstörten sie Atlantis, das Paradies für alle - und sich gleichc mit. Wollen wir hoffen, dass die Menschheit von heute etwas klüger ist.